Ein Industriefacharbeiter verdiente
mit Tarifvertrag im Jahr 2010 in der Stunde 20,65 Euro, ohne waren es 17,12 Euro. Das sind 18 Prozent weniger. Der Angelernte kam mit Tarif auf 15,57 Euro in der Stunde, ohne Tarif aber nur auf 11,20 Euro. Das sind 28 Prozent weniger, wie das Statistische Bundesamt in seiner
jüngsten Verdiensterhebung ermittelte. Eine ähnliche Lücke tut sich auch bei den Arbeitszeiten, beim Urlaub sowie bei anderen Leistungen auf.
Damit wird deutlich: Mit Tarifvertrag sind Beschäftigte deutlich besser dran. Für den IG Metall-Vorsitzenden Jörg Hofmann ist deshalb die Tarifbindung die "Gerechtigkeitsfrage Nummer Eins". Nur sie garantiert "gleichen Lohn für gleiche Arbeit", ist sich Hofmann sicher.
Tarifvertrag ist aber nicht gleich Tarifvertrag. Aktuell gibt es im Zuständigkeitsbereich der IG Metall insgesamt 2358 gültige
Flächentarifverträge. Allein 359 davon regeln in der Metall- und Elektroindustrie die Einkommens- und Arbeitsbedingungen für fast 2,4 Millionen Beschäftigte.
Doch welche Tarifverträge regeln was genau? Für wen gelten sie und wer ist an die Verträge gebunden? Wir lichten den Tarifdschungel und geben einen Überblick.
Wer ist tarifgebunden und wer hat einen Rechtsanspruch
auf tarifliche Leistungen?
Die
Tarifbindung ist im Tarifvertragsgesetz
unter Paragraf 3 geregelt. "Tarifgebunden" ist demnach der Arbeitgeber, der Mitglied in einem Arbeitgeberverband ist. Und der Arbeitnehmer, der einer Gewerkschaft angehört. Sind beide tarifgebunden, sind sie auch an die gültigen Tarifverträge "gebunden", die der Arbeitgeberverband und die zuständige Gewerkschaft aushandeln. Der Arbeitgeber muss den vereinbarten Tariflohn zahlen sowie Urlaub, Weihnachtsgeld und andere tarifliche Leistungen gewähren. Der Arbeitnehmer muss im Gegenzug in der vereinbarten Arbeitszeit die Tätigkeit und Leistung erbringen, für die er bezahlt wird. Vom
Tarifvertrag abweichen kann der tarifgebundene Arbeitgeber nur dann, wenn zum Beispiel die Vergütung gleich oder besser geregelt ist als das Tarifentgelt.
Aber auch für nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Beschäftigte kann ein Tarifvertrag verbindlich gelten - und zwar dann, wenn er vom Bundesarbeitsministerium für "
allgemeinverbindlich" erklärt wurde (
Paragraf 5 Tarifvertragsgesetz). Beispiel: Neben dem gesetzlichen Mindestlohn gelten noch
tarifliche Branchenmindestlöhne, die allgemeinverbindlich sind - etwa in der Leiharbeit. An diese allgemeinverbindlichen Tarif-Mindestlöhne müssen sich sämtliche Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Leiharbeitsbranche halten.
Auch wenn der Arbeitgeber allen Mitarbeitern die tariflichen Leistungen freiwillig gewährt - einen rechtlichen Anspruch darauf haben grundsätzlich nur die Beschäftigten, die Mitglied der vertragsabschließenden Gewerkschaft sind.
Welche Tarifverträge gibt es und was regeln sie?
Flächen-, Verbands- oder Branchentarifverträge
Ein Flächentarifvertrag liegt dann vor, wenn die IG Metall und der Arbeitgeberverband für eine ganze Branche in einer bestimmten Region ("Fläche") einen Tarifvertrag abschließen, zum Beispiel für die Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen. Dieser Tarifvertrag ist typisch für die Tariflandschaft in Deutschland und wird auch Verbands- oder Branchentarifvertrag genannt.
Der Flächentarifvertrag garantiert weitgehend gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Betriebe der einzelnen Branchen. Er legt Mindeststandards fest und schützt die Beschäftigten vor Lohndumping. Der Flächentarifvertrag gilt für alle tarifgebundenen Arbeitgeber und Beschäftigte der jeweiligen Branche und Region verbindlich. Sie wirken sich aber auch mittelbar, also indirekt, auf nicht tarifgebundene Unternehmen aus, in dem sich diese etwa in Arbeitsverträgen auf die geregelten Tarifstandards beziehen.
Zu den wichtigsten Flächentarifverträgen zählen:
- Lohn-, Gehalts- und Entgelttarifverträge
Diese Tarifverträge regeln die Höhe von Löhnen, Gehältern und Ausbildungsvergütungen (Entgelten) in Form von Entgelttabellen. Ihre Laufzeit ist überschaubar, weil die Entgelte an die wirtschaftlichen und produktiven Entwicklungen angepasst werden.
- Entgeltrahmentarifverträge (ERA)
Vom Lohn und Gehalt zum einheitlichen Entgelt: Mit den Entgelt-Rahmenabkommen (ERA) haben die IG Metall und die Arbeitgeberverbände 2003 in der Metall- und Elektroindustrie ein Regelwerk geschaffen, das die bis dahin traditionelle Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten abschaffte und ihre Entgelte vereinheitlichte. Aus Arbeitern und Angestellten wurden Beschäftigte - Entgelt ersetzte die Begriffe Lohn und Gehalt. Aber nicht nur Begriffe wurden ausgewechselt. ERA steht auch für Transparenz der Entgeltstruktur und mehr Gerechtigkeit. Denn entlohnt wird nach Tätigkeit und nicht nach "Nasenprämie". Alle Beschäftigten werden nach den gleichen Regeln einer Entgeltgruppe zugeordnet. Das heißt: gleiches Entgelt bei vergleichbarer Arbeitsaufgabe in Entwicklung, Produktion und Verwaltung. Die Rahmenabkommen beschreiben die Tätigkeitsmerkmale für die einzelnen Entgeltgruppen sowie die Kriterien für die jeweilige Einstufung.
- Manteltarifverträge
Der Manteltarifvertrag regelt fast alles rund um die Arbeitsbedingungen - wie etwa Arbeitszeit, Urlaub und Urlaubsgeld, Freistellungen, Zuschläge, Einstellungs- und Kündigungsbedingungen.
Daneben gibt es weitere Flächentarifverträge zu einzelnen Themen wie zum Beispiel Jahressonderzahlungen (Weihnachtsgeld), betrieblicher Altersversorgung, Altersteilzeit, Qualifizierung.