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IG Metall Region Hamburg-Forum - ausbilder_rolle_2011_08

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Notwendige Entwicklung oder übertriebene Anforderung? - Die „neue Rolle“ des Aus- und Weiterbildungspersonals

Bereits 1988 formulierte Hans Preiss, im IG Metall Vorstand für Bildung zuständig: „Wer sich mit Fragen der beruflichen Bildung beschäftigt, weiß um die zentrale Rolle von Berufsausbilder/innen ... oder besser... des betrieblichen Ausbildungspersonals. Der Einfluss dieser Berufsgruppe auf die persönliche und berufliche Entwicklung von Jugendlichen ist ebenso unbestritten wie ihre Schlüsselstellung bei der Entscheidung darüber, ob die Anpassung von Qualifikationen künftiger Belegschaften an den technischen Wandel gelingt.“ Diese Kernaussage von Hans Preiss ist und bleibt richtig, auch - oder gerade weil sich das Umfeld, in dem heute Ausbildung stattfindet grundlegend verändert hat.

 Gerd Labusch - Betriebs-
rat und Ausbilder
Ein Berufsbild für das betriebliche Ausbildungspersonal wurde bislang immer mit folgenden Argumenten abgelehnt: Die Qualifizierung der Ausbilder im gewerblich technischen Bereich ist durch die Ausbildereignungsprüfung gewährleistet, im Kaufmännischen bedarf es keiner besonderen Befähigung. Die Auszubildenden lernen durch Zuschauen und übernehmen nach und nach eigenständig Aufgaben. Den Rest lernen sie in der Berufsschule. Als Konsequenz daraus scheiterten seit 1965 sämtliche Initiativen, u. a. der IG Metall, für einen Fortbildungsberuf für Ausbilder. Frei nach dem Spruch unserer Handballer. „wenn nicht jetzt, wann dann?“, war die Initiative zu dessen Entwicklung 2009 erfolgreich. Mit der Schaffung der beiden neuen Fortbildungsberufe Gepr. Berufspädagoge und Gepr. Aus- und Weiterbildungspädagoge wurde nach mehr als 30 Jahren endlich dem Anspruch Rechnung getragen, dass Aus- und Weiterbilden eine eigene Profession ist.

Was macht professionelles Aus- und Weiterbildungspersonal notwendig?

Die Wirtschaft insgesamt muss sich diesen Prozessen stellen:
  • Unternehmen müssen schneller und flexibler auf die Marktveränderungen reagieren.
  • Es etablieren sich zunehmend Führungsstrukturen, die auf Kooperation und flachen Hierarchien basieren.
  • Arbeit und Lernen werden nicht mehr voneinander getrennt, Lernen am Arbeitsplatz als neues Prinzip der betrieblichen Weiterbildung
  • Es gibt zunehmend weniger Routinearbeiten, stattdessen müssen sich die Beschäftigten in immer neue Arbeitsprozesse einarbeiten.
  • Die Managementfunktion der Planung von Arbeitsprozessen wird in den direkten Produktionsprozess zurück verlagert, d.h. planen, durchführen und kontrollieren gehören zum alltäglichen ganzheitlichen Handwerkszeug.

Dies ist nur ein Teil der vielfältigen und unterschiedlich ausgeprägten Veränderungen. Die Aus- und vor allem die betriebliche Fort- und Weiterbildung müssen zukunftsorientiert auf diese Anforderungen reagieren und diese in ihrer Planung schon antizipieren. Personalplanung und – entwicklung gehören  ebenso wie Bildungscontrolling und Bildungsmarketing neben der Pädagogik zukünftig zum Handwerkszeug von Aus- und Weiterbildungspersonal.

Lernen und Arbeiten

Durch die beschriebenen Veränderungen stehen Lernen und Arbeiten in einem neuen Verhältnis zueinander. Diente früher das Lernen zur Vorbereitung des Arbeitens, wird heute das Arbeiten selbst zum Lernprozess. Lernkompetenz wird zur zwingenden Voraussetzung, um im Arbeitsprozess bestehen zu können.

Diese zunehmende Integration von Lernen und Arbeiten beinhaltet, dass sich Ausbilderinnen und Ausbilder in ihren Rollen neu definieren müssen. Dabei ist  die Kompetenz gefordert,  Lerninhalte der Arbeit zu identifizieren und in den Arbeitsprozess zu integrieren. Dieses wird weitläufig als die Rolle des Lernprozessbegleiters oder Lerncoaches beschrieben. Insgesamt wird es damit erforderlich, Konzepte der  Organisationsentwicklung wie der Personalentwicklung mit der betrieblichen Aus-, Fort- und Weiterbildung zu verknüpfen.

Um diese Entwicklungen zu fördern und voranzubringen, muss die betriebliche Bildungsarbeit - ob Aus- oder Weiterbildung -  in enger Abstimmung mit den jeweiligen Fachabteilungen erfolgen, wobei pädagogische Kompetenz in beiden Bereichen gefordert wird. Aus- und Weiterbildungspädagogen und vor allem Berufspädagogen müssen die Fachabteilungen angemessen und kompetent beraten und unterstützen können.

Betriebliche Bildungsarbeit bewegt sich damit zwischen Bildungsmanagement und pädagogischer Prozesssteuerung. Der früher gern proklamierte Widerspruch zwischen Pädagogik, Wirtschaftlichkeit und Management lässt sich nicht länger aufrecht erhalten und muss aufgelöst bzw. abgeschwächt werden.


 Lernen im Team ist erfolgreicher

Welche Anforderungen muss ein Ausbilder erfüllen?

Wie für andere Tätigkeiten auch, lässt sich für die Ausbilderinnen und Ausbilder eine berufliche Handlungskompetenz beschreiben. So muss ein Ausbilder über eine pädagogische-didaktische Fachkompetenz verfügen, d.h. er muss Fachwissen adressatengerecht und fachlich angemessen darstellen können (Domäne). Er muss die Fähigkeit zur Selbstreflektion und Selbstkritik besitzen sowie Human- oder Personale Kompetenz (Person). Weiter muss er über Kommunikationsfähigkeit, Konfliktlösungsfähigkeit, Teamfähigkeit etc. verfügen, und Sozialkompetenz (Gruppe).

In allen drei Bereichen – Domäne, Person, Gruppe - entfalten sich

  • Methoden- und Lernkompetenz als Fähigkeit fachliche, individuelle und soziale Probleme zu erkennen und für diese Probleme adäquate Lösungsansätze zu finden und hierbei wiederum Neues zu lernen,
  • eine Sprach- und Textkompetenz i. S. des Vermögens, sich sprachlich darüber hinaus textlich mitteilen zu können und am Alltag sprachlich und textlich partizipieren zu können,
  • eine ethische Kompetenz als normative Haltung und Einstellung gegenüber der Domäne, der eigenen Person und der sozialen Umwelt.

Fazit

Die Rolle des Ausbilders ist nicht völlig neu erfunden worden, aber die Aufgabenschwerpunkte haben sich verschoben. Auch heute ist es so, dass das Ausbildungspersonal einen bedeutsamen Einfluss auf die persönliche und berufliche Entwicklung von jungen Menschen hat. Da sich Ausbildung und Fort- und Weiterbildung aber immer mehr verzahnen, bezieht sich dieser Einfluss nicht mehr nur auf junge Menschen, sondern auch auf die älteren im Betrieb Beschäftigten. Berufliche Aus- und Weiterbildung sind didaktisch und bildungsorganisatorisch eng miteinander verzahnt und müssen somit ganzheitlich betrachtet werden. Es wird zukünftig verstärkt darauf ankommen, didaktische Theorien, wie Handlungsorientierung, situationsorientierte Ausbildung und Ausbilden am Arbeitsplatz umzusetzen und ständig zu aktualisieren. Dafür ist es notwendig, neue Formen des Lehren und Lernens wie z.B. Lernstatt, Auftragsbezogenes Lernen usw. in der Praxis umzusetzen.

Rand- und Problemgruppen, die bisher von der Ausbildung ausgegrenzt wurden, müssen adäquat in die Ausbildung integriert werden, um so den notwendigen fachlichen Nachwuchs sicherzustellen. Hierfür müssen neue und zielgruppengerechte Auswahl- und Einstellungsverfahren entwickelt und eingesetzt werden.

Alles das wurde bei der Neuordnung der beiden Fortbildungsberufe "Gepr. Berufspädagoge" und "Gepr. Aus- und Weiterbildungspädagoge" berücksichtigt. Zwei Berufe also, die den Ansprüchen Rechnung tragen, die zukünftig verstärkt auf die Aus- und Weiterbildung in den Betrieben zukommen.

Die Ausgangsfrage lässt sich abschließend so beantworten: Die neue Rolle des Ausbilders ist eine notwendige Entwicklung, sie baut auf dem Alten auf und erweitert die Kompetenzen um wichtige Aspekte, die bisher nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Neu also im Sinne von Erweiterung und nicht von völliger Neuschaffung.