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IG Metall Region Hamburg-Forum - Seilschaft_2013

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Seilschaften schaden der Firma

Ein Interview im Hamburger Abendblatt in der Wochenendausgabe 16./17. Februar setzt sich mit der Problematik auseinander, das Führungskräfte oftmals mehr mit sich selbst und der Festigung ihrer Position beschäftigt sind, als sich um das Wohl der Firma zu kümmern. In diesem Interview wird dargestellt, dass Führungskräfte oftmals informelle Netzwerke pflegen und hegen, damit ihre Position gestärkt wird und sie unangreifbar bleiben.
Entstehende Probleme im Zusammenhang mit solchen Führungskräften werden von den kontrollierenden Vorständen, Geschäftsführern oder Aufsichtsräten ausgesessen und damit abgetan, „in der Vergangenheit hat er doch immer erfolgreich gearbeitet, da kann ich ihn doch jetzt nicht anzählen“. Es bürgert sich dann häufig eine Kultur des Wegsehens ein. Es regiert dann auch das Prinzip der Verantwortungslosigkeit. Ich bin als Führungskraft nicht verantwortlich, dass sind die operativ tätigen Kolleginnen und Kollegen.

Die Folge kann davon sein: „Die Konsequenzen dieser Führungsnach-lässigkeit tragen häufig die Mitarbeiter, die sich „am Ende der Nahrungskette“ befinden – dort, wo in der Regel die größten Einsparpotentiale ermittelt werden, wenn das Budget knapp wird“, so Frau Susanne Alwart (Unternehmensberaterin in diesem Interview). Weiter führt sie aus, dass sehr oft engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich kritisch mit Situationen auseinandersetzen und ziel- sowie lösungsorientiert arbeiten, die Leidtragenden sind. Ihre Potenziale werden nicht gesehen, bleiben unentdeckt und sie werden in ihren Aktivitäten ausgebremst. Diese Kolleginnen und Kollegen erfahren dementsprechend wenig Wertschätzung und werden wie oben beschrieben, dafür bestraft, dass die Führung versagt hat.

Als Problem wird von Frau Alwart benannt, dass Auseinandersetzungen und Lernprozesse die notwendig sind, in konfliktscheuen und politischen Unternehmenskulturen nicht nur nicht gewollt sind, sie werden systematisch verhindert. Jeder hat das mit Sicherheit in mehr oder weniger ausgeprägter Form schon in seinem Umfeld erlebt. Hier stellt sich nun die Frage: Was können wir als Betriebsräte und Vertrauensleute tun, damit eine solche Unternehmensunkultur aufgebrochen wird.


Interview mit Klaus Heimann
Wir haben diese Frage unserem Kollegen Klaus Heimann, bis vor kurzem Leiter des Ressorts Bildungs- und Qualifizierungspolitik beim Vorstand der IG Metall in Frankfurt und jetzt externer Berater für Themen der Personalentwicklung und Public Relation für den Betriebsrat gestellt.

Hier seine Antwort:

Betriebsräte kümmern sich viel zu wenig um das Thema Führungskräfte. Wer als leitender Angestellter eingestellt wird, wer ebnete den Weg in den Betrieb, wo und welche Ausbildung haben diejenigen, die zukünftig das Unternehmen führen sollen – all das sind Fragen, die den Betriebsrat bei der Einstellungen von „normalen Mitarbeitern“ interessieren und wo das Betriebsverfassungsgesetz auch Regeln der Beteiligung und Mitbestimmung vorsieht.

Bei der Auswahl der Chefs fehlt es an verbrieften Rechten. Deshalb lassen viele Betriebsräte ihre Finger davon. In Großbetrieben können sie aber letztlich nicht abtauchen: Im Aufsichtsrat wird über die Berufung von Vorstandsmitgliedern entschieden. Und die Erfahrung zeigt: Aufsichtsrats­vor­sitzende haben bei Personalentscheidungen immer gerne auch die Arbeitnehmervertreter mit im Boot.

Dass sich bei den Führungskräften der Wirtschaft etwas verändert hat, ist spätestens seit der Krise auf den Finanzmärkten jedem klar. Die Triebfeder für das zum Teil kriminelle Verhalten der Finanzmanager wird von Kennern der Szene in der unbändigen Gier nach Geld und Macht gesehen. Das Werteverständnis vom ehrbaren Kaufmann hat in dieser Kasino-Welt keinen Platz. Manager entwickeln inzwischen vielfach nur eine geringe Bindung zum Betrieb, zu den Aufgaben und zu den Menschen, die täglich die Werte erschaffen, von denen sie gut leben.

Die Verweildauer von Managern im Unternehmen ist auch deutlich kürzer geworden. Der schnelle Wechsel führt dazu, dass derjenige für seine Taten und deren Folgen gar nicht mehr einstehen muss. Diese Ex- und Hopp-Mentalität ist oft bei den blutjungen und blutleeren Nachwuchs-Managern, die direkt von der Uni oder von Unternehmensberatungsfirmen kommen, anzutreffen. Sie verordnen fragwürdige Unternehmensstrategien, die sie nur aus ihren Lehrbüchern oder von ihren Power-Point-Präsentationen kennen. Die Auswirkungen ihrer Kostensparprogramme oder Restrukturierungen warten sie dann auch gar nicht erst ab. Wenn die Strukturen zusammenkrachen, sind sie schon im nächsten Betrieb. Ausgestattet mit einer üppigen Abfindung, Seilschaften helfen beim Betriebe-Job-Hopping.

Können Betriebsräte dagegen etwas tun? Ja, sie können. Sie müssen sich um diese Entwicklungen kümmern. Schließlich bleiben die Belegschaften dem Betrieb treu, in guten wie in schlechten Tagen. Das Verhalten der Manager ist ihnen fremd und entspricht auch nicht ihren beruflichen Vorstellungen. Unternehmen sind viel zu wertvoll, als das man deren Zukunft alleine den Managern überlassen kann.

Um das Verhalten und die Arbeit von Führungskräften aktiv anzugehen, bedarf es bei den Betriebsräten eines hohen Maßes an Sensibilität, Vorsicht und Präzision. Es ist ein konflikt­trächtiger Punkt der auf Agenda gehoben wird.

Es gibt Stellschrauben beim Thema Führungskräfte, an denen auch Betriebsräte drehen können:
  1. Wer heute als dual Studierender eingestellt wird, sitzt morgen vielleicht auf dem Chef-Sessel. Deshalb sind folgende Themen für den Betriebsrat wichtig: welche Praktikanten haben wir im Betrieb, wer macht Bachelor oder Master-Arbeiten im betrieblichen Zusammenhang, wer erhält ein Stipendium, mit welchen Universitäten kooperiert das Unternehmen, wer kommt ins Trainee-Programm, wer wird als dual Studierender eingestellt. Viele Vorgesetzte und Chefs kommen aus diesen Bildungswegen. Sich um diese Personen zu kümmern ist für den Betriebsrat aktive Zukunftsvorsorge.
  2. Karrierewege im Betrieb – das ist ein Thema für den Betriebsrat. Zentrale Frage: Gibt es aus dem Betrieb heraus den Weg in die Chefetage oder ist dieser nur Personen vorbehalten, die extern bestimmte Bildungsabschlüssen erworben haben? Karriere mit Lehre ist deshalb so wichtig, weil dadurch eigene Leute durchstarten können. Wer im Betrieb Industrie­mechaniker gelernt hat und weiß, was es heißt mit intelligenten Produkten Geld zu verdienen, der hat auch dann als Konstruktionschef, der im Vorstand sitzt, eine andere Einstellung zu seiner Aufgabe. Sein persönliches Wertegerüst ist ein anderes.
  3. Stichwort Unternehmenskultur. Zugegeben, dieser Punkt gehört zu den weichen Themen, die man schwer fassen kann. Wie wird im Unternehmen mit Kritik umgegangen? Kann man Fehler ansprechen und kritisieren, oder wird man, sofort einen Kopf kleiner gemacht? Gibt es eine offene Diskussions-Kultur? Bedienen Führungscliquen und Seilschaften nur ihre persönlichen Interessen?

Es gilt vom Betriebsrat eine Strategie zu entwickeln und zu unterstützen, die unerwünschtes Management-Verhalten ausmerzt. Maßstäbe dafür sind: Offenheit, Klarheit, Transparenz und konsequentes Verhalten. Eine Unternehmenskultur mit diesen Maßstäben ist für den Betrieb auf Dauer überlebenswichtig.