Burnout nicht nur eine Prominentenkrankheit
In den Betrieben haben psychische Erkrankungen wie Burnout und Depressionen erheblich zugenommen. Das heißt: Burnout ist nicht nur eine Prominentenkrankheit, wie es die Medien transportieren, sondern betrifft auch den Bandarbeiter, die Büroangestellte oder den Leiharbeiter.
Dazu haben wir ein Interview mit Hans-Jürgen Urban geführt. Er ist Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall und dort u.a. für Sozialpolitik, Gesundheitsschutz und Arbeitsgestaltung zuständig.
Forum-Lehmann: Warum hat die IG Metall das Thema Burnout so prominent aufgegriffen?
Die IG Metall hat im September eine Online-Blitzumfrage gemacht, an der sich in wenigen Tagen fast 4 000 Betriebsräte beteiligt haben. Das Ergebnis lautet kurz gefasst: In den Betrieben unseres Organisationsbereichs haben psychische Erkrankungen wie Burnout und Depressionen erheblich zugenommen. Das heißt: Burnout ist nicht nur eine Prominentenkrankheit, wie es die Medien transportieren, sondern betrifft auch den Bandarbeiter, die Büroangestellte oder den Leiharbeiter. Das belegt die Blitzumfrage. Und das haben wir mit großem Medienecho auf einer Pressekonferenz Ende September in Berlin der Öffentlichkeit präsentiert.
Das zweite Ergebnis der Umfrage lautet: Der arbeitsbedingte Stress und Leistungsdruck als eine wesentliche Ursache für solcher Erkrankungen sind seit der Wirtschaftskrise 2008/2009 enorm gestiegen. Da tickt nach unserer Auffassung eine Zeitbombe. Diese Entwicklung kann schnell, so meine Sorge, zu einer ernsten Gefahr nicht nur für die direkt Betroffenen selbst, sondern auch für Wirtschaft und Gesellschaft werden. Denn die Kosten solcher arbeitsbedingten Erkrankungen führen nicht nur zu einer Belastung für die Unternehmen sondern vor allem für die Sozialkassen. Prävention ist also oberstes Gebot.
Forum-Lehmann: Was können Betriebsräte und Vertrauensleute im Betrieb unternehmen?
Es ist wichtig, Anzeichen für ein Burnout früh zu erkennen. Denn zu spät erkannt, können Erschöpfungszustände zu einer depressiven Erkrankung führen. Doch noch immer wird das Ausgebranntsein als individuelles Versagen betrachtet. Viele Unternehmen reagieren eher hilflos auf die zunehmende Zahl von Burnout-Fällen, indem sie Gesundheitsprogramme auflegen oder an die Beschäftigten appellieren, mehr Sport zu machen und auf bessere Ernährung zu achten. Die Arbeitsbedingungen als Hauptversucher für Burnout bleiben jedoch außen vor.
Damit kommt auf die betrieblichen Interessenvertretungen eine große Aufgabe zu. Wer, wenn nicht die Betriebsräte und Vertrauensleute werden Burnout im Betrieb zum Thema machen und gleichzeitig deutlich machen, dass es weder um Einzelfälle geht noch um individuelles Fehlverhalten.
Betriebsräte sind jedoch weder Seelsorger noch Diagnostiker oder Minitherapeuten. Ihre Aufgabe wird es vielmehr sein, wie ein Lotse zu agieren, die Betroffenen zum einen in akuten Fällen unterstützen, zum anderen ein Früherkennungssystem im Betrieb zu entwickeln und langfristig Arbeitsbedingungen zu verändern.
Forum-Lehmann: Welche Hilfe gibt die IG Metall?
Wir haben im September eine Handlungshilfe zu Burnout herausgebracht, die den Untertitel trägt: Betriebsräte als Lotsen für Burnout-Betroffene. Diese Broschüre die allererste aus gewerkschaftlicher Hand - ist ein Auftakt, um Burnout-Betroffenen Hilfestellungen zu geben. Sie soll helfen bei der Prävention, um Arbeitsbedingungen so zu verändern, dass die Gefahr des Ausbrennens sinkt.
Sie soll ferner helfen bei der Unterstützung akut Betroffener und dem Aufbau eines Hilfe-Netzwerks innerhalb und außerhalb des Betriebs sowie bei der Wiedereingliederung von Kranken. Die Broschüre dient ferner dazu, das Thema Burnout im Betrieb zu enttabuisieren und für eine bessere Prävention die arbeitsbedingten Ursachen in den Fokus zu nehmen.
Die Nachfrage nach dieser Broschüre ist riesig. Wir mussten schon nach wenigen Wochen eine Nachauflage in Druck geben. Sie ist über
www.igmetall.de/shop
unter dem Suchbegriff Burnout für nur drei Euro zu bestellen.
Die IG Metall hat psychische Belastungen und die zunehmenden psychischen Erkrankungen schon seit langem zu einem ihrer Präventionsschwerpunkte gemacht. Weitere Arbeitshilfen zur Prävention psychischer Belastungen und psychischer Erkrankungen werden folgen. Verhältnis- und Verhaltensprävention müssen dabei verschränkt werden. Und wir stimmen dem Kulturwissenschaftler Claus Leggewie zu, wenn er sagt: »Es geht darum, die Menschen nicht nur widerstandsfähiger, sondern auch widerständiger zu machen gegen Verhältnisse, die sie immer wieder krank machen werden.«
Wir werden deshalb über solche praktischen Hilfen hinaus die Notwendigkeit, gegen arbeitsbedingten Stress und seine gesundheitlichen Folgen vorzugehen, zum Thema in den Betrieben und gegenüber der Politik machen. Gesundheit darf nicht hinter betriebswirtschaftlichen Erfolgszahlen und der Wettbewerbsfähigkeit zurückstehen. Deshalb ist Gute Arbeit ein ganz zentrales gewerkschaftliches Handlungsfeld.