"Ohne Beteiligung ist alles nix" - Workshop mit Betriebsräten zum Thema Produktionssysteme am 30.3.2011
Ihrem Anspruch nach verfolgen Produktionssysteme ehrgeizige Ziele. Kern der heute diskutierten Produktionssysteme (orientiert an Toyota) ist die Zielvorstellung, den gesamten Wertstrom (vom Auftrag bis zur Auslieferung, vom Einkauf über F+E, Fertigung und Montage und Logistik) in einen gleichmäßigen und getakteten Fluss ohne Puffer nach dem Pull-Prinzip zu bringen. Arbeit wird so gestaltet, dass Fehler sofort auffallen sollen und ihre Ursache dauerhaft abgestellt wird. Diesem Anspruch dienen dann alle Methoden: von 5S über Visualisierung, Standardisierung, Kanban bis KVP, agiles Projektmanagement etc. Dieser Zielsetzung dienen auch die Beteiligungsprozesse von Beschäftigten und Betriebsrat. Ergebnis soll ein reibungsloser Produktionsablauf sein, der ohne Verschwendung abläuft und optimal auf Kundenwünsche abgestellt ist.
Wie sieht die Wirklichkeit in den Unternehmen aus? Am Beispiel von zwei Maschinenbauunternehmen aus Nordrhein-Westfalen hat das Projekt Kompetenz&Innovation NRW in Zusammenarbeit mit dem Werkzeugmaschinenlabor (WZL) der TU Aachen auf einem Workshop unter Beteiligung der betrieblichen Interessenvertretungen exemplarisch nachgefragt, wie die neuen Produktionssysteme eingeführt wurden, in welcher Weise die Beteiligung der Beschäftigten und Betriebsräte erfolgte, welche Auswirkungen das jeweilige Produktionssystem auf die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten hatte, und ob die intendierten Zielsetzungen tatsächlich realisiert werden konnten.
Deutlich wurde, dass in den Produktionsbetrieben allenfalls Versatzstücke einzelner Methoden und Instrumente eingeführt wurden, von der Ganzheitlichkeit der Produktionssysteme hingegen kaum die Rede sein kann. Nicht nur werden einzelne Instrumente und Methoden nicht ausreichend aufein-ander abgestimmt, der Einführungsprozess widerspricht häufig der ganzheitlichen Zielsetzung und ist was die Beteiligung von Beschäftigten und Betriebsrat anbelangt häufig instrumenteller Art. Ziele des Unternehmens nach optimalen Produktionsabläufen und einer Produktion im Kundentakt stehen im Vordergrund, Interessen der Beschäftigten nach guten Arbeitsbedingungen, Abbau von Überlastung, Qualifizierung, Vermeidung von Dequalifizierung, angemessener Entlohnung, aber auch deren Detailkenntnisse über Schnittstellenprobleme, Störungen im Ablauf werden nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt. Kennzahlensysteme wirken häufig kontraintentional.
Dem Ziel des wirtschaftlichen Erfolgs werden Beschäftigteninteressen eher untergeordnet. Ein reibungsloser Produktionsablauf ist jedoch ohne Beschäftigte nicht zu realisieren. Je besser auch ihre Belange Berücksichtigung finden, desto eher können Unternehmen ihr vordringliches Ziel einer verbesserten Wettbewerbsfähigkeit erreichen, denn ohne Beteiligung ist alles nix, so einer der teilnehmenden Betriebsräte: Bevor die Unternehmensleitung los läuft, sollte sie den Betriebsrat mitnehmen, denn früher oder später wird er ihr ohnehin über den Weg laufen.
Betriebliche Mitbestimmung ist als Erfolgsfaktor bei der Einführung neuer Produktionssysteme zu sehen. Die Betriebsräte selbst konstatieren: Niemand nimmt es den Unternehmensleitungen übel, wenn sie um Verständnis dafür werben, dass Optimierungen der Prozessabläufe erforderlich werden. Aber sie darf die Ziele nicht über Instrumente verstecken.
Das Anliegen des Projektes ist es, gemeinsam mit betrieblichen Akteuren Ansatzpunkte für eine arbeitsorientierte Gestaltung der Produktionssysteme zu finden, da diese weitreichende Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen (Arbeitszeit, Personaleinsatzstrategien, Leistungspolitik, Entlohnung) haben. Im Workshop wurden Ansatzpunkte für präventives und mitgestaltendes Handeln der betrieblichen Interessenvertretungen exemplarisch entwickelt.
In der zweiten Jahreshälfte werden die Ergebnisse der Workshops, betrieblichen Fallbearbeitungen und der Expertise des WZL in einem industriepolitischen Memorandum zum Thema Produktionssysteme verdichtet und publiziert.
Betriebsräte-Workshop am 25. Juni 2008 in Dortmund
Aus unseren Gesprächen mit Betriebsräten, Produktionsplanern und Wissenschaftlern wissen wir um neue Debatten über die künftige Gestaltung von Produktionssystemen und deren Niederschlag in andauernden betrieblichen Veränderungsprozessen. Nicht nur die großen Automobilhersteller, auch mittelständische Betriebe sind dabei, mit ganzheitlichen Produktionssystemen, auch über den eigentlichen Produktionsprozess hinaus, ihre Unternehmensfunktionen und -prozesse neu zu ordnen.
Bilder des Workshops vom 25.6.2008
Mit dem Betriebsratsworkshop wollten wir einigen Betriebsräten die Möglichkeit eröffnen, sich über diese Fragen, gemeinsam auszutauschen. 10 Betriebsräte nahmen an dem Workshop unter dem Motto Neue Trends in der Entwicklung der Produktionssysteme mit Chancen und Risiken für Arbeitsplätze und Einkommen teil.