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Kompetenz-Innovation NRW - Workshops

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Workshop „Globale Wertschöpfung im Maschinenbau“ am 25.2.2011 in Lage-Hörste

„Im Krisenjahr 2009 haben die ausländischen Standorte den deutschen Standort eher gerettet“, so die Einschätzung eines am Workshop beteiligten Betriebsrats. Doch bleibt das so? Bereits heute erfolgt nur noch ein Drittel des Werkzeugmaschinenbaus in Deutschland, zwei Drittel der Produktion findet bereits an ausländischen Standorten statt, wobei China eine immer größere Bedeutung erhält. Der Ausbau von Auslandsstandorten wird zunehmen und es besteht die Befürchtung „dass am Stammsitz nur noch Verwaltung, Entwicklung, F&E übrig bleibt“. Mit dem Ausbau von Produktionsstätten in Mittel- und Osteuropa und nun vermehrt vor allem in China gehe tendenziell der „Ausverkauf deutschen Produktions-Knowhows“ einher, so die von Betriebsräten und Bevollmächtigten der IG Metall geäußerte Befürchtung. Somit stellt sich für Betriebsräte verschärft die Frage, wie sie am hiesigen Standort auf die Herausforderungen globaler Wertschöpfung Einfluss nehmen können und trotz der vermehrten Auslandsaktivitäten der Unternehmen Arbeitsplätze sichern und gestalten können. „Wo kann der Betriebsrat Hebel ansetzen bei weiterer Internationalisierung und globaler Wertschöpfung?“ diese Frage stellt sich den Interessenvertretungen an deutschen Standorten.

Mit Betriebsräten aus Maschinenbauunternehmen der Region Ostwestfalen-Lippe, dem Bevollmächtigten der IG Metall für die Region und Wissenschaftlern des SOFI in Göttingen haben wir die Ergebnisse einer Studie des SOFI „Globale Wertschöpfung im Maschinenbau– Auswirkungen auf den Standort Deutschland“ auf einem eintägigen Workshop intensiv diskutiert. Die Studie beruht auf intensiven betrieblichen Recherchen bei den am Workshop beteiligten Unternehmen des Maschinenbaus im In- und Ausland.

Wie schon im Workshop mit Betriebsräten der Automobilzulieferindustrie wurde auch für die exportstarke Maschinenbaubranche deutlich, dass es gerade im harten internationalen Wettbewerb nicht mehr darum geht, dass der Internationalisierungsprozess voranschreitet und weitere Auslandsstandorte (vor allem in China) entstehen, sondern vielmehr um die Art und Weise, in der Internationalisierungsprozesse vorangetrieben werden, und was dies jeweils für die Produktentwicklung, Prozesssteuerung und die Beschäftigungsentwicklung an den deutschen Standorten bedeutet. Sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen, gehört inzwischen zum Alltagsgeschäft der betroffenen Betriebsräte, die sich z.B. zunehmend mit der Gründung europäischer Betriebsratsgremien, Besuchen an Auslandsstandorten, betrieblichen Prozessabläufen, Kommunikations- und Controllingstrukturen befassen müssen.

Der Prozess der Internationalisierung ist mittlerweile auf einem anderen Level angekommen. Einer Phase der Standardisierung von Produkten und Produktionsprozessen und der Auslagerung an ausländische Produktionsstandorte unter Beibehaltung der technisch anspruchsvolleren Produkte und deren Weiterentwicklung am deutschen Standort (hightech-Segment), folgt nun eine Phase der globalen Qualitätsproduktion mit der Folge eines Umbaus der Produktionssysteme sowohl im In- als im Ausland. Dies hat Auswirkungen auf Produktions- und Arbeitsbedingungen in Deutschland.

Damit deutsche Standorte weiterhin Vorreiter im Bereich innovativer Produktentwicklung bleiben (können), ist der angesichts des demografischen Wandels fortschreitende Facharbeiter-Mangel ein wachsendes Problem. Auch ausländische Standorte seien nicht stehen geblieben und verfügten mittlerweile über qualifiziertes Personal und Knowhow, um eigene Innovationen voranzutreiben und somit auch im high und middle-tech-Bereich (letzterer vor allem China) konkurrenzfähig mit den deutschen Standorten zu werden.

Trotz mehrheitlicher Bekenntnisse, die deutschen Standorte zu erhalten, wird deutlich, dass dies angesichts des wachsenden internationalen Standort-Wettbewerbs u.a. mit steigendem Leistungsdruck und der Zunahme psychischer Belastungen für die hiesigen Beschäftigten einhergeht, häufig auch mit weiteren Flexibilitätszumutungen und Lohneinbußen. Tendenziell werden die Produktionsbereiche immer kleiner, während der Verwaltungs- und Forschungs- und Entwicklungsbereich wachse. In diesem Zusammenhang betont ein Betriebsrat: „Du kannst nur dann innovativ sein, wenn Du in der Produktion auf Kundenwünsche eingehen kannst.“ Nur mit gut qualifizierten Beschäftigten in der Produktion, die eng mit Forschung und Entwicklung zusammenarbeiten, sind Innovationen realisierbar. Und ohne Weiterentwicklung von Produkten, Prozessen und Dienstleistungen (häufig auch im Paket) ist kein Knowhow-Vorsprung möglich bzw. zu halten. Der sich abzeichnende Facharbeitermangel und die nicht ausreichend genutzten innerbetrieblichen Qualifizierungsmaßnahmen setzten dieser Gefahr bislang viel zu wenig entgegen.

Die bisherige Aufteilung Qualitätsproduktion in Deutschland – Billigprodukte in China ist in Bewegung bekommen. Die chinesische Qualitätsproduktion ist weitgehend inkompatibel mit deutscher Ingenieurkultur. Schon mittelfristig ist mit einer höheren Autonomie der chinesischen Standorte auf allen Ebenen (Einkauf, Engineering, Supplier Development, Marketing/Sales) zu rechnen. Für Deutschland bedeutet das, dass die Grenzen der Standardisierung erreicht werden. Es wird vermutlich zu einer Kombination der Wissensbestände kommen, die es produktiv zu nutzen gilt.

Die Einschätzung der Betriebsräte ist realistisch „Wir werden Internationalisierung nicht aufhalten. Wichtig ist zu fragen, was steckt jeweils hinter der Wachstumsstrategie.“ Von allen Beteiligten wurde ein kontinuierlicher Erfahrungsaustausch mit Betrieben vergleichbarer Struktur und Größe oder eine stärkere regionale Vernetzung der Interessenvertretungsarbeit angeregt. Die Reflexion der in Betrieben einer Branche und/oder Region unter Beteiligung von Experten ist aus der Sicht der Betriebsräte hilfreich und hat für ihre alltägliche Arbeit vor Ort einen völlig anderen Stellenwert als lediglich punktuell eingeholte Beratungsexpertise.

Die Ergebnisse der SOFI-Untersuchung und die wichtigsten Argumente der beiden Workshops zum Thema „Globale Wertschöpfung“ werden in einem industriepolitischen Memorandum verdichtet und in der zweiten Jahreshälfte veröffentlicht.

Globale Wertschöpfung in der Autozulieferindustrie -
Workshop am 20.1.2011

Unternehmen, die der Automobilindustrie zuliefern, haben häufig keine Wahl, ob sie den Kunden an Standorte in Asien oder Osteuropa folgen. Das ist in den umkämpften Märkten im Bereich Autozulieferung selbstverständlich. Das hat durchaus auch positive Effekte für die Arbeitsplatzsicherheit an deutschen Standorten.

Zu diesem Befund kommen Betriebsräte aus größeren mittelständischen Automobilzulieferern und IG Metall-Bevollmächtigte, deren Verwaltungsstellen eine hohe Konzentration entsprechender Betriebe aufweisen.
In der Diskussion der Ergebnisse einer Untersuchung des soziologischen Forschungsinstitutes (SOFI) über Internationalisierungsstrategien wurde deutlich, dass es gerade im umkämpften Markt Autozulieferung nicht um das "ob", sondern (nur noch) um das "wie" geht. So erstaunt es auch nicht, dass es inzwischen zum Alltagsgeschäft der betroffenen Betriebsräte gehört, sich mit allen damit verbundenen Alltagsfragen zu befassen: Gründung europäischer Betriebsratsgremien, Besuche der Auslandsstandorte, betriebliche Abläufe, Kommunikationsstrukturen, Controllingstrukturen.

Deutlich wurde, dass ein sehr genauer Blick lohnt, wenn es um das Thema Globalisierung geht:
  • Das Bild, "Deutschland ist Innovationsvorreiter – im Ausland wird lediglich kopiert" stimmt so nicht mehr. Die technologische Entwicklung und die Fachkompetenz verbessert sich sukzessive auch an den ausländischen Standorten. Dazu kommt eher die Frage: Wie kann Deutschland Innovationsstandort bleiben? Welche Kompetenzen sind nötig? Und woher kommen die nötigen finanziellen Mittel dafür?
  • Globalisierungsstrategien können Arbeitsplätze sicherer machen, wenn marktbezogene Wachstumsstrategien verfolgt werden und Kostensenkung nicht an erster Stelle steht. Aber: Wenn die Zahl der Arbeitsplätze bleibt oder ggf. steigt, sagt das noch nichts über die Art der Arbeitsplätze. Betriebsräte beobachten so beispielsweise einen Trend zur Höherqualifizierung bzw. einen Wegfall einfacherer Tätigkeiten. Das ist klientelpolitisch nicht einfach für Betriebsräte.
  • Es spielt eine große Rolle, an welchen Standorten ein Unternehmen präsent ist. Standorte in Mittel- und Osteuropa, in Südamerika und in Asien - hier insbesondere China - sind nicht miteinander zu vergleichen. Die Globalisierungsstrategien sind andere aber auch die dortigen Rahmenbedingungen und Entwicklungspotenziale.
  • Wenn ein Unternehmen, die deutschen wie die ausländischen Standorte tatsächlich in ihrer Gesamtheit betrachten, dann resultieren daraus sowohl Gefahren (z.B. Benchmark von Standorten entlang von Kennzahlen) als auch Chancen (z.B. Belebung durch andere Kompetenzen/Kulturen).
Diesem Workshop soll nun noch ein weiterer Workshop in Lage/Hörste am 25.2.2011 folgen, an dem Betriebsräte und Bevollmächtigte aus der Branche Maschinenbau in Ostwestfalen-Lippe teilnehmen werden.

Globalisierte Wertschöpfung - Workshop am 2. März 2010

In Unternehmen, die in globaler Arbeitsteilung ihre Prozesse organisieren, stehen Betriebsräte vor komplexen Anforderungen. Grenzüberschreitende Schnittstellen zwischen Produktplanung, Produktentwicklung, Fertigung und Vertrieb haben Folgen für die Innovationsbedingungen und Wettbewerbsfähigkeit. Damit wird über die nachhaltige Sicherheit von Arbeitsplätzen und Einkommen entschieden.

Betriebsräte aus der holzverarbeitenden Industrie, der Leuchtenindustrie und der metallverarbeitenden Industrie haben im Workshop am 2. März 2010 in Lage-Hörste über ihre Herausforderungen berichtet. Prof. Dr. Volker Wittke und Ulrich Voskamp vom Soziologischen Forschungsinstitut an der Georg-August-Universität Göttingen (SOFI) haben ihre Erfahrungen mit unternehmerischen Strategien globalisierter Wertschöpfung eingebracht.

Deutlich wurde: Globalisierung hat vielfältige Dimensionen und ist ein dynamischer, keineswegs immer rational strukturierter Prozess. Im Austausch zwischen den Betriebsräten und Wissenschaftlern wurden unterschiedliche Muster und Vorgehensweisen von global agierenden Unternehmen transparent. Eine große Schwierigkeit sehen die betrieblichen Interessenvertretungen darin, ausreichend Informationen über ausländische Standorte zu erhalten. So fehlt es u.a. an Informationen zu den jeweils ganz unterschiedlichen Rahmenbedingungen, z.B. in der Sozialgesetzgebung, Markteinschätzung, den Währungs- und Lohnkosten, Konzepten zur Fertigungssteuerung und Personalentwicklung, Qualifikationsvoraussetzungen, Produktivitätsdifferenzen, sonstigen Steuerungs- und Lenkungsprozessen und Gesellschafterverhältnissen.

Durch die geschilderten Erfahrungen wurde auch klar:
Richten sich Unternehmen global oder international aus, sind die Auswirkungen auf den deutschen Standort und die hiesigen Arbeitsplätze keineswegs immer von Nachteil. Wie bei jeder Investitionsstrategie sind Risiken und Chancen für gute und sichere Arbeitsplätze zu unterscheiden. Dass Unternehmen global agieren, kann durchaus zur Absicherung ihrer deutschen Standorte beitragen.

Gleichwohl gibt es auch Beispiele, die zeigen, dass aufgrund globaler Arbeitsteilung schleichend oder in akuten Brüchen Arbeitsplätze abgebaut oder Arbeitsbedingungen mit Nachteilen für die Beschäftigten verändert werden. Jedenfalls ändern sich Arbeitsbedingungen am hiesigen Standort entscheidend, wenn Unternehmen global tätig werden. Ob sich globale Wertschöpfungsketten zum Vor- oder Nachteil für den deutschen Standort auswirken und woran das jeweils liegt, ist betriebsspezifisch zu analysieren. Betriebsräte sind daran interessiert, die Chancen, die in globalisierten Prozessen liegen, zu erkennen und mitzugestalten sowie die Risiken frühzeitig zu erkennen. Ihnen geht es darum, ihren Gestaltungseinfluss für gute Arbeitsbedingungen und Einkommen („Besser"-Strategie) rechtzeitig zu nutzen.